The Catalyst - Der Überzeugungskünstler - So ändern Sie jedermanns Meinung

The Catalyst - Der Überzeugungskünstler - So ändern Sie jedermanns Meinung

von: Jonah Berger

books4success, 2022

ISBN: 9783864708350 , 352 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 17,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

The Catalyst - Der Überzeugungskünstler - So ändern Sie jedermanns Meinung


 

EINLEITUNG


Als Agent des FBI war Greg Vecchi auf internationalen Drogenhandel, Geldwäsche und Erpressung spezialisiert. Viele Leute, mit denen er zu tun hatte, waren harte, gewalttätige Berufsverbrecher. Typen, die Helikopter an das Medellín-Kartell verkauften oder sich alte russische U-Boote besorgten, um Kokain von Kolumbien in die USA zu schmuggeln.

Einmal überwachte Greg drei Jahre lang das Telefon eines Verdächtigen der russischen Mafia und sammelte penibel alle Informationen, um genügend Beweismaterial zu haben und ihn dingfest zu machen. Als der Haftbefehl erlassen wurde, berief Greg ein Sondereinsatzkommando: Dutzende stämmige Kerle in voller Montur, die das Haus des Verdächtigen stürmen, die bösen Jungs festnehmen und die Beweise einsammeln sollten.

Als er sein Team über die Situation informierte, nannte er auch mögliche Schwierigkeiten. Der Verdächtige könnte bewaffnet sein und war in jedem Fall gefährlich. Greg entwickelte mit dem Sondereinsatzkommando einen Plan, bei dem kein Fehler passieren durfte. Es musste alles richtig gemacht werden, sonst würde die Lage sehr schnell eskalieren.

Am Ende der Sitzung verließen alle den Raum, bis auf einen Mann. Er war Greg schon vorher aufgefallen. In einem Raum voller Kommandosoldaten wirkte er irgendwie deplatziert. Er war dick, kleinwüchsig und kahl und hatte mit den anderen, kantigen Typen in seinem Team wenig gemeinsam.

„Erzählen Sie mir mehr über ihn“, bat der Mann. „Ich will mehr über ihn wissen.“

„Ich weiß nicht, was Sie meinen“, erwiderte Greg. „Das habe ich doch gerade getan. Ich habe doch gerade erklärt, ich habe hier eine dicke Akte mit …“

„Nein. Nein, nein, nein“, wandte der Mann ein. „Ich meine nicht seine kriminelle Vergangenheit. Ich meine nicht, was er früher schon Schlimmes angestellt hat. Sie haben ihn doch abgehört, richtig?“

„Ja“, sagte Greg.

„Was ist er für ein Mensch?“, fragte der Mann.

„Was meinen Sie mit ‚was ist er für ein Mensch‘?“

„Was macht er? Was hat er für Hobbys? Erzählen Sie mir was über seine Familie. Hat er ein Haustier?“

Ob der Verdächtige ein Haustier hat?, dachte Greg. Wir hetzen diesem Kerl eine paramilitärische Einheit auf den Hals und Sie wollen wissen, ob er ein Haustier hat? Was soll der Quatsch? Kein Wunder, dass im Kommando keiner mit dem Typen zu tun haben will.

Dennoch stellte ihm Greg brav alle Informationen zur Verfügung und sammelte dann seine Papiere ein.

„Noch eine letzte Frage“, sagte der Mann. „Der Verdächtige ist gerade zu Hause, oder?“

„Ja“, antwortete Greg.

„Dann geben Sie mir bitte seine Telefonnummer“, sagte der Mann und ging zur Tür hinaus.

Schließlich kam der Zeitpunkt der Verhaftung. Das Sondereinsatzkommando stand bereit. In einer Reihe vor dem Gebäude, einer hinter dem anderen, jederzeit bereit, die Tür einzutreten. Ganz in Schwarz gekleidet, das Schutzschild vor der Brust, die Waffe gezogen. „In Deckung! In Deckung!“, würden sie rufen, bevor sie ins Haus stürmten und sich den Verdächtigen schnappten.

Aber die Uhr tickte und das Kommando stand immer noch vor der Tür. Die Minuten verstrichen. Minute um Minute.

Plötzlich bekam Greg Angst. Niemand kannte den Verdächtigen besser als er. Er hatte gehört, wie er mit seinen Freunden und Partnern gesprochen hatte. Dieser Mann war gefährlich. Er würde sie alle töten, wenn er es konnte. Er war in Russland im Gefängnis gewesen und hatte keinerlei Angst vor Gewalt.

Da ging die Tür auf.

Der Verdächtige kam heraus. Mit erhobenen Händen.

Greg war sprachlos. Seit Jahren arbeitete er im Gesetzesvollzug. Erst als Sonderermittler für die U.S. Army und das Landwirtschaftsministerium. Dann hatte er als verdeckter Ermittler im ganzen Land gearbeitet und zuletzt an der Grenze zu Mexiko, wo er für die Antikorruptionsbehörde tätig war. Er hatte wirklich reichlich Erfahrung. Aber dass ein solcher Typ aus freien Stücken aus seinem Haus kam und sich ohne Gegenwehr verhaften ließ? So was hatte er noch nicht erlebt.

Dann fiel ihm ein: Der kleine kahle Mann, mit dem er geredet hatte, war Verhandlungsführer bei Geiselnahmen. Und genau dieser Mann hatte den Verdächtigen von etwas überzeugt, was niemand für möglich gehalten hätte: dass er sich am helllichten Tag den Behörden stellte, ohne sich zur Wehr zu setzen.

Wahnsinn, dachte Greg. Das will ich auch können.

Inzwischen arbeitet Greg seit über 20 Jahren als Verhandlungsführer bei Geiselnahmen. Er hat mit internationalen Kidnappern verhandelt, Saddam Hussein nach dessen Festnahme befragt und die legendäre Verhaltensanalyseeinheit des FBI geleitet. Er hat Bankräuber und Serienmörder besänftigt und Menschen unter scheinbar unmöglichen Bedingungen zur Umkehr bewegt.

Die Technik der Krisenverhandlung wurde nach den Olympischen Spielen 1972 in München entwickelt, als Terroristen bei einer Geiselnahme elf israelische Olympiateilnehmer töteten. Bis dahin hatte man vor allem auf Zwang und Gewalt gesetzt und den Verbrechern gesagt: „Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus oder wir schießen!“

Aber nach München und einigen anderen missratenen Einsätzen, die ins Licht der Öffentlichkeit gerieten, war irgendwann klar, dass der Ansatz, Verbrecher zum Aufgeben drängen zu wollen, nicht funktionierte. Deshalb begann man, psychologische Fachliteratur zu wälzen und Prinzipien aus der Verhaltensforschung zu nutzen, um neue Ausbildungsmethoden zu entwickeln, mit denen sich eine Krise deeskalieren ließ.1

Seit vielen Jahren wenden Verhandlungsführer wie Greg dieses neue Modell an. Und es funktioniert. Es funktioniert bei internationalen Terroristen, die man davon überzeugen will, ihre Geiseln freizulassen, und bei Menschen, die man von ihren Selbstmordabsichten abbringen will. Sogar bei einem Mann, der gerade seine Familie getötet und sich mit seinen Geiseln in einer Bank eingeschlossen hat, der weiß, dass er mit einem Polizeibeamten spricht, und die Konsequenzen kennt. Der weiß, dass sich sein Leben von Grund auf ändern wird. In neun von zehn Fällen kommt er freiwillig heraus.

Und zwar, weil ihn jemand darum gebeten hat.

Die Macht der Trägheit


Jeder Mensch hat etwas, das er ändern möchte. Verkäufer wollen die Meinung ihrer Kunden ändern, Marketingleute Kaufentscheidungen. Angestellte wollen, dass ihr Chef seine Ansicht ändert, Unternehmensleiter wollen ihre Organisation umstrukturieren. Eltern wollen, dass sich ihre Kinder anders benehmen. Neu gegründete Unternehmen wollen ihre Branche ändern, gemeinnützige Organisationen die Welt.

Aber Veränderung ist schwer.

Wir reden und machen und tun, aber sosehr wir uns auch bemühen, meistens bewegt sich rein gar nichts. Die Dinge ändern sich allerhöchstens in Zeitlupe, wenn überhaupt. In der Geschichte von der Schildkröte und dem Hasen ist die Veränderung ein Dreifingerfaultier bei der Mittagspause.

Von Isaac Newton stammt die berühmte Sentenz, dass ein Gegenstand, der in Bewegung ist, meist auch in Bewegung bleibt, während ein ruhender Gegenstand ruhend bleibt. Bei Newton ging es um physische Objekte – Planeten, Pendel und Ähnliches –, aber das Konzept lässt sich auch auf die soziale Welt übertragen. Wie Monde und Kometen werden Menschen und Organisationen von der Bewegung geleitet, die sie gerade ausführen. Trägheit. Alle tun, was sie immer schon getan haben.

Anstatt darüber nachzudenken, welcher Kandidat ihre Werte am ehesten vertritt, entscheiden sich Wähler für denjenigen, der die Partei vertritt, die sie schon immer gewählt haben. Anstatt neu anzusetzen und zu überlegen, welche Projekte lohnenswert wären, nehmen Unternehmen das Budget vom letzten Jahr und richten ihre Aktivitäten danach aus. Anstatt ihre Portfolios zu rebalancieren, sehen sich Investoren an, worin sie zuletzt investiert haben, und bleiben bei diesem Kurs.

Trägheit ist der Grund dafür, dass Familien jedes Jahr in denselben Urlaubsort fahren und Unternehmen ungern neue Initiativen starten und es hassen, alte Abläufe über Bord zu werfen.

Wenn wir versuchen, diese Trägheit zu überwinden und andere zu einer Veränderung zu bewegen, wenden wir meistens Druck an. Der Kunde will Ihr Angebot nicht annehmen? Dann schicken Sie ihm einen Stapel Fakten und Belege. Ihr Chef interessiert sich nicht für Ihre Idee? Dann geben Sie ihm noch mehr Beispiele oder holen Sie zu einer weitschweifigen Erklärung aus.

Ob wir die...