Staatsrecht für Polizeibeamte

Staatsrecht für Polizeibeamte

von: Frank Braun

Verlag Deutsche Polizeiliteratur, 2022

ISBN: 9783801109202 , 224 Seiten

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,99 EUR

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Staatsrecht für Polizeibeamte


 

1. Abschnitt: Grundstudium


1.Teil: Verfassungsgrundsätze


Die tragenden Verfassungsgrundsätze (auch Staatsstrukturprinzipien genannt) sind in Art. 20 GG geregelt. In Art. 20 Abs. 1 GG heißt es: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Daraus folgen die Grundsätze der „Republik“ sowie das Demokratie-, Sozialstaats- und Bundesstaatsprinzip. Das für die polizeiliche Ausbildung wichtigste Prinzip, das Rechtsstaatsprinzip, ist nicht genannt, kommt aber in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck, wenn dort geregelt ist, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind.

Dass diese Grundsätze konstituierend für die Verfassung unseres Landes sind, zeigt ein Blick auf die Regelung in Art. 79 Abs. 3 GG, die sog. Ewigkeitsgarantie. Dort ist geregelt, dass die in Art. 20 GG festgeschriebenen Staatsstrukturprinzipien und die in Art. 1 GG enthaltenen Garantien (insbesondere der Schutz der Menschenwürde) einer Grundgesetzänderung nicht zugänglich sind. Gleichzeitig bedeutet dies, dass alle anderen Vorschriften der Verfassung grundsätzlich mit der erforderlichen „Zwei-Drittel-Mehrheit“ in Bundestag und Bundesrat (Art. 79 Abs. 2 GG) Änderungen oder gar Streichungen erfahren können.

A.Republik

Republik ist in erster Linie als Gegensatz zur Monarchie zu verstehen, als ein Verbot der Monarchie. In einem weitverstandenen Sinn kann das republikanische Prinzip als die Verpflichtung der Staatsgewalt auf die Interessen der „res publica“, also auf das Gemeinwohl, verstanden werden1. Diese Gemeinwohlorientierung kommt etwas klarer in den Eidesformeln von Bundespräsident, Bundeskanzler und -minister (Art. 56, 64 Abs. 2 GG) zum Ausdruck, die sich dazu verpflichten, ihre „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm abwenden“.

B.Sozialstaat

Unter einem Sozialstaat versteht man einen gemeinwohlorientierten Staat, der zur Abhilfe sozialer Not und zu einem gewissen Mindestausgleich der sozialen Verhältnisse verpflichtet ist.2 Allerdings lässt das Grundgesetz dem Gesetzgeber bei der Herstellung einer gerechten Sozialordnung einen sehr weiten Gestaltungsspielraum3. Dies liegt in der Natur der Sache. Zum einen sind sozialstaatliche Leistungen stark konjunkturabhängig und stehen unter dem Vorbehalt des Möglichen. Zum anderen müssen sozialrechtliche Regelungen detailliert getroffen werden, was notwendig Sache des einfachen Gesetzgebers ist. Daher bestehen grundsätzlich keine Leistungsansprüche von Bürgern, die unmittelbar mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip begründet werden können. Mit einer Ausnahme: Der Gesetzgeber hat – abgeleitet aus dem Sozialstaatsprinzip und der Menschenwürdegarantie, Art. 1 Abs. 1 GG – einen „sozialen Mindeststandard“ einzuhalten, der sich aber in der Verpflichtung der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (mittels der „Hartz IV“-Leistungen) erschöpft.4

C.Bundesstaat

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Staatsgewalt neben der horizontalen Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative vertikal auf Bund und Länder verteilt. Dies bezeichnet man als Bundesstaatsprinzip5. Seinen verfassungsrechtlichen Niederschlag findet es vor allem in Art. 20 Abs. 1 GG („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein …. Bundesstaat“). Wie der Bund haben die Länder gesetzgebende Organe (die Landtage), vollziehende Organe (an der Spitze die jeweilige Landesregierung) und Gerichte, die die Rechtsprechung ausüben. Nach Art. 30 GG sind grundsätzlich die Länder für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig, es sei denn, das Grundgesetz trifft zugunsten des Bundes eine andere Regelung. Das Grundgesetz enthält ausführliche Vorschriften, wie die einzelnen staatlichen Aufgaben zwischen Bund und Ländern verteilt werden. Nämlich in den Regelungen des Grundgesetzes über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in der Gesetzgebung (Art. 70 ff. GG), in der Verwaltung (Art. 83 ff. GG), in der Rechtsprechung (Art. 92 ff. GG) sowie – im hier nicht interessierenden – Bereich des Finanzwesens (Art. 104a ff. GG).

I.Gesetzgebung

Bei der Gesetzgebung gibt es Kataloge (Art. 73, 74 GG = ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung des Bundes), die nach Sachmaterien geordnet aufzählen, in welchen Fällen der Bund für den Erlass eines Gesetzes zuständig ist6. Ist eine Materie nicht in einem der Kataloge genannt, bleibt es bei der grundsätzlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder, vgl. Art. 70 GG.

Beispiele: Das allgemeine Polizeirecht ist „Ländersache“; es besteht im Grundgesetz keine explizite Zuweisung der Gesetzgebungsmaterie an den Bund, sodass Art. 30, 70 GG greift und das PolG NRW in die Gesetzgebungszuständigkeit des nordrhein-westfälischen Landtages fällt. Anders verhält es sich beim Strafrecht (StGB) und der Strafprozessordnung (StPO). Regelungen hierzu durfte der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 72 GG (konkurrierende Gesetzgebung) erlassen.

II.Verwaltungskompetenzen

Auf der Ebene des Gesetzesvollzug, der Kernaufgabe der Verwaltung, sieht das Grundgesetz als Regelfall vor, dass Bundesgesetze von den Landesverwaltungen (und damit nicht von der Bundesverwaltung) vollzogen werden (Art. 83 GG)7. Daneben gibt es ausdrücklich geregelte Fälle, bei denen der Bund durch eigene Verwaltungsbehörden seine Gesetze vollziehen darf (Art. 87 ff.; Ausnahme der Bundesverwaltung). Die Länder vollziehen ihre Landesgesetze stets selbst.

Beispiel: Das WaffenG ist ein Bundesgesetz, das nach dem Grundsatz des Art. 83 GG von den Ländern vollzogen wird; in Nordrhein-Westfalen sind die Kreispolizeibehörden zuständig. Dagegen wird die Zentralstellenfunktion für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen bei der Kriminalitätsbekämpfung durch den Bund selbst vollzogen, indem nach Art. 87 Abs. 1 GG hierfür eine Bundesoberbehörde, das Bundeskriminalamt, geschaffen wurde.

III.Rechtsprechung

Auch die rechtsprechende Gewalt ist zwischen Bund und Ländern verteilt. Der Bund errichtet nur die obersten Gerichtshöfe. Das sind der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht und der Bundesfinanzhof. Die Länder schaffen dagegen die Eingangsgerichte (z.B. die Verwaltungsgerichte) und die Mittelinstanzen (z.B. die Oberverwaltungsgerichte). Letzte Instanz bilden die obersten Gerichtshöfe des Bundes, die auf diese Weise bundesweit eine einheitliche Anwendung des Rechts sichern.

Eine Sonderstellung nimmt das Bundesverfassungsgericht ein. Dieses ist als „Hüter der Verfassung“ exklusiv nur für verfassungsrechtliche Streitigkeiten zuständig. Dem BVerfG kommt damit die Letztentscheidungsbefugnis über die Auslegung des Grundgesetzes zu.8

Das BVerfG entscheidet zum einen in Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen (etwa von Regierung und Parlament) über die Anwendung und Auslegung spezifischen Verfassungsrechts. Zum anderen gewährt es jedem Bürger mit dem Instrument der Verfassungsbeschwerde Schutz, durch die er geltend machen kann, durch staatliches Handeln in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt worden zu sein. Darüber hinaus entscheidet das Gericht über weitere ihm zugewiesene Sachverhalte, wie über die Verwirkung von Grundrechten und über die Verfassungswidrigkeit von Parteien. Mit Abstand die größte praktische Bedeutung aber hat die Verfassungsbeschwerde.9

Entscheidungen des BVerfG binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden (vgl. § 31 Abs. 1 BVerfGG). Bestimmte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere über die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm, haben Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) und gelten daher über den Einzelfall hinaus. Ein verfassungswidriges Gesetz erklärt das Bundesverfassungsgericht im Regelfall für nichtig. Die Nichtigkeit wirkt auch in die Vergangenheit und führt rechtlich gesehen zu einem Zustand, als ob das Gesetz niemals erlassen worden wäre. Formelle Gesetze (also Parlamentsgesetze, dazu 1. Abschnitt, 1. Teil, E. II. 3.)...