Kampf der Könige - Das Haus Plantagenet und das blutige Spiel um Englands Thron

Kampf der Könige - Das Haus Plantagenet und das blutige Spiel um Englands Thron

von: Dan Jones

Verlag C.H.Beck, 2023

ISBN: 9783406801884 , 688 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 14,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Kampf der Könige - Das Haus Plantagenet und das blutige Spiel um Englands Thron


 

Vorwort


Wer waren die Plantagenets? Die im Buch beschriebenen Personen haben den Namen nicht geführt, mit einer einzigen Ausnahme: Gottfried, Graf von Anjou, ein gutaussehender, streitlustiger junger Mann mit roten Haaren. Der 1113 geborene Gottfried trug gern einen Zweig mit gelb blühendem Ginster am Helm und schmückte seinen Schild mit Löwen. Von der lateinischen Bezeichnung für Ginster (planta genista) leitet sich der Name Plantagenet ab, die schreitenden Löwen, die den Kopf dem Betrachter zuwenden, wurden zum symbolträchtigen Wappentier der englischen Könige, auf Standarten vor riesigen Armeen in die Schlacht getragen, in den kühlen schottischen Lowlands genauso wie in den staubigen Ebenen des Nahen Ostens. Darin steckt eine gewisse Ironie: Gottfried war nie in England, zeigte kaum Interesse an diesem Teil seines Reichs und starb 1151, drei Jahre bevor sein ältester Sohn die englische Krone erbte.

Dennoch hat der Name Plantagenet einen machtvollen Klang. Gottfrieds Nachfahren herrschten mehr als zwei Jahrhunderte lang als Könige über England, angefangen bei Heinrich II., der 1154 gekrönt wurde, bis zu Richard II., der 1399 von seinem Cousin Henry Bolingbroke abgesetzt wurde. Die Plantagenets waren die am längsten herrschende Königsdynastie in England, und während sie regierten, entstanden einige der grundlegenden charakteristischen Merkmale, die wir heute mit England verbinden: Die Grenzen des Reichs wurden festgelegt. Die Beziehungen zu den Nachbarn – in erster Linie zu Schottland, Wales, Frankreich und Irland, aber auch zu den Niederlanden, zum Papsttum und zu den iberischen Reichen, aus denen später Spanien hervorging – wurden etabliert. Rechtsgrundsätze und Regierungseinrichtungen, die bis heute bestehen, wurden in ihren Grundformen angelegt – einige freiwillig, andere durch Zufall oder unter Zwang. Eine reiche Mythologie nationaler Geschichtsschreibung und Legenden entstand, und auch die Verehrung zweier Heiliger – Eduard der Bekenner und der heilige Georg – stammt aus dieser Zeit. Die englische Sprache entwickelte sich von einem unkultivierten, ziemlich rauen lokalen Dialekt zur Sprache der Parlamentsdebatten und der poetischen Dichtung. Burgen, Paläste, Kathedralen und Denkmäler wurden errichtet, von denen viele heute noch stehen und vom Genie der Männer künden, die sie einst erdachten, erbauten und gegen Angriffe verteidigten. Helden wurden geboren, starben und wurden zu Legenden; ebenso die Übeltäter, deren Namen immer noch in den Geschichtsbüchern widerhallen. (Denn manche dieser Übeltäter trugen die Königskrone.) Einige der berühmtesten und dramatischsten Schlachten der europäischen Geschichte wurden in dieser Zeit ausgetragen, etwa die Schlacht bei Bouvines und die Schlacht von Bannockburn, die Seeschlachten von Sluis und Winchelsea, die Schlacht bei Crécy und bei Poitiers. Zwischen dem Zeitalter der Normannen, in dem Kriegskunst eine Kunst der Belagerung war, und dem aufkommenden 15. Jahrhundert, in dem offene Feldschlachten üblich waren, wurde die Militärtaktik revolutioniert; und die Engländer mit ihren tapferen Kriegern und todbringenden berittenen Bogenschützen waren der Schrecken Europas. Gegen Ende der Plantagenet-Ära begannen die Engländer, die Kriegsführung auf offener See zu verfeinern. Die Seekriegstaktik hinkte etwas hinter der für Landkriege her, doch Mitte des 14. Jahrhunderts gab es so etwas wie eine englische Marine, die zum Schutz der Küsten und zum Angriff auf feindliche Schiffe eingesetzt werden konnte. Selbstverständlich kam es während der Herrschaft der Plantagenets auch zu Akten der Grausamkeit, des Gemetzels, der Brutalität und Dummheit. Dennoch war bis 1399, dem Jahr, in dem dieses Buch endet, aus dem kühlen und feuchten Inselreich, das Wilhelm, der Bastard aus der Normandie, im Jahr 1066 erobert hatte, ein hoch entwickeltes Reich geworden, das zu den bedeutendsten der Christenheit zählte. Die Grundlage dafür bildeten die Macht und das Ansehen der Königsfamilie.

Der Weg dahin wird in diesem Buch beschrieben. Doch das Buch soll auch unterhalten. Es bietet ein Stück erzählte Vergangenheit mit einigen der großen Ereignisse aus der Geschichte Englands in der Zeit zwischen dem Sinken des Weißen Schiffs 1120 und der Absetzung von Richard II. 1399. Dazu gehören der Bürgerkrieg zwischen Stephan und Mathilde; die Ermordung Thomas Beckets durch die Ritter Heinrichs II.; die Revolte der Königssöhne in den Jahren 1173 und 1174; die Kriege Richards I. gegen Saladin während des Dritten Kreuzzugs; der Krieg der Barone gegen König Johann und die Anerkennung der Magna Carta; die glücklosen Bemühungen Heinrichs III. in einer späteren Auseinandersetzung mit dem Adel, unter anderem mit seinem Schwager (und seiner Nemesis) Simon de Montfort; die Feldzüge Eduards I. in Wales und Schottland; die spezielle Beziehung Eduards II. zu Piers Gaveston und seine erzwungene Abdankung; der von Eduard III. provozierte Hundertjährige Krieg, in dem er zusammen mit seinem Sohn, dem Schwarzen Prinzen, kämpfte und den König von Frankreich gefangen nahm, und die anschließende Stiftung des Hosenbandordens, um die militärische Überlegenheit Englands zu feiern; die enorme Zahl der Todesopfer, die der Schwarze Tod in Europa forderte; die heroische Haltung Richards II. gegenüber Wat Tylers Rebellen während des Bauernaufstands von 1381, gefolgt von Richards Tyrannei und seinem endgültigen Sturz, als er von Bolingbroke entthront wurde. Alle diese Geschichten sind schon für sich genommen aufregend; sie sind aber auch Teil des historischen Kanons, der England nach wie vor, trotz der kulturellen Umbrüche im 21. Jahrhundert, als Nation und Volk definiert. Die Könige aus dem Haus Plantagenet erfanden nicht nur England als politische, administrative und militärische Einheit. Sie trugen auch dazu bei, unsere Vorstellung von England zu prägen – eine Vorstellung, der nach wie vor eine große Bedeutung zukommt.

Es ist ein dickes Buch geworden – und es hätte noch viel umfangreicher werden können. Zur leichteren Lektüre habe ich den Text in sieben Abschnitte unterteilt. Teil I, «Das Zeitalter der Katastrophen», beschreibt, in welch schlechter Verfassung sich England gegen Ende der normannischen Herrschaft befand, die unter Wilhelm dem Eroberer begonnen hatte und sich unter der Regierung seiner beiden Söhne Wilhelm Rufus und Heinrich I. fortsetzte. Nach dem Tod Heinrichs tobte in England und in der Normandie ein brutaler und lähmender Bürgerkrieg. Zwei Erben erhoben Anspruch auf den Thron: König Stephan, der Enkel Wilhelms des Eroberers, und Heinrichs Tochter Mathilde. Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis der Krieg zugunsten Mathildes entschieden war. In dieser Zeit zerfiel England praktisch in zwei Herrschaftsbereiche mit zwei Höfen und zwei konkurrierenden Regierungen. Die öffentliche Ordnung lag darnieder, das Land wurde von Söldnern heimgesucht und verwüstet. Erst mit der Thronbesteigung von Mathildes Sohn, ihrem ältesten Kind mit Gottfried Plantagenet – ein unberechenbarer, jähzorniger, aber intelligenter Junge namens Heinrich FitzEmpress –, wurde das Reich wieder geeint und gut regiert. Heinrich FitzEmpress wurde Heinrich II., und durch eine gelungene Kombination aus Glück, ungeheurer persönlicher Energie, großem militärischem Geschick und Eigensinn konnte sich Heinrich als König etablieren und wurde Herr über ein Flickwerk von Territorien, das sich von den Grenzen Schottlands bis zu den Rändern der Pyrenäen erstreckte.

Heinrichs II. Herrschaft über seine ausgedehnten Gebiete, die sich allmählich, wenn auch nicht gezielt zu einem Reich zusammenfügten, ist Thema von Teil II, «Das Zeitalter des Reichs». Darin werden Heinrichs beeindruckende Eroberungen geschildert, das katastrophale Zerwürfnis mit seinem einstigen besten Freund, Erzbischof Thomas Becket, und die Auseinandersetzungen des Königs mit seinen aufmüpfigen Kindern und seiner außergewöhnlichen Frau, Eleonore von Aquitanien. Die Revolte der eigenen Kinder stellte nach Ansicht einiger Zeitgenossen die göttliche Strafe für Beckets Tod dar. «Das Zeitalter des Reichs» betrachtet auch Heinrichs revolutionäre Reformen des englischen Rechts, der Justiz und Verwaltung – Reformen, die England Rechtsverfahren und Regierungsprinzipien gaben, die Jahrhunderte überdauerten.

Trotz der Leistungen und Eroberungen während seiner Herrschaft ist Heinrich II. einer der weniger bekannten Könige aus dem Haus Plantagenet. Ganz anders dagegen sein dritter Sohn Richard I., auch Richard Löwenherz genannt, der das Plantagenet-Reich 1189 erbte, als in Europa eine enorme Kreuzzugbegeisterung herrschte. Richard – der dafür, dass er schon wenige Jahrzehnte nach seinem Tod Heldenstatus erlangte, überraschend wenig Zeit in England verbrachte – widmete sein Leben der Verteidigung und Erweiterung der Macht des Hauses Plantagenet. Seine Eroberungen führten ihn im Dritten Kreuzzug bis nach Sizilien, Zypern und ins Königreich Jerusalem, bevor er, nach einer kostspieligen unfreiwilligen Zwischenstation in Deutschland, nach England zurückkehrte, um sein Erbe gegen den französischen König Philipp II. «Augustus» zu verteidigen. «Das Zeitalter des Reichs» endet im Jahr 1204, als Richards Bruder König Johann eine demütigende Niederlage gegen Philipp erlitt, die Normandie verlor und Schande über das militärische Vermächtnis der Familie brachte. Die Regierungsentscheidungen unter Johann sollten das Verhältnis zwischen England und Frankreich fast hundertfünfzig Jahre lang prägen.

Die Auswirkungen von Johanns militärischem Versagen werden in Teil III betrachtet, «Das Zeitalter der Opposition». Nach dem Verlust der Normandie waren die Könige von England gezwungen, sich dauerhaft in England niederzulassen, wodurch Johann schon bald...