Mit Kindern kommunizieren, lernen und spielen - Erziehung im Alltag gestalten

Mit Kindern kommunizieren, lernen und spielen - Erziehung im Alltag gestalten

von: Jutta Gorschlüter, Marie Gorschlüter

Kohlhammer Verlag, 2023

ISBN: 9783170423855 , 140 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 28,99 EUR

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Mit Kindern kommunizieren, lernen und spielen - Erziehung im Alltag gestalten


 

Der Schlüssel zum entspannten Alltag mit Kind


Viele Eltern sehen sich heute unter einer Flut von Ratgebern begraben, die ihnen sagen, wann sie ihr Kind wie zu fördern, zu erziehen und wann sie in die kindlichen Entwicklungsprozesse einzugreifen haben, um ihrem Kind das Beste zu ermöglichen. Da ist es verständlich, dass dies nicht selten zu einer völligen Verunsicherung darüber führt, wann jetzt welche Förderung, welche Methodik und welche Form der Erziehung richtig sei.

Wir Eltern planen und tun und machen. Doch häufig läuft eben nicht alles nach Plan, egal wie wunderbar dieser durchdacht ist. Denn, seien wir einmal ehrlich, Kinder sind nicht immer von dem begeistert, was wir uns »Spannendes« überlegt haben, der Alltag mit Kind ist eben oft unvorhersehbar und nicht wie im Bilderbuch. Und das ist auch gut so. Denn genau dieses Unvorhersehbare, dieses Spontane – so anstrengend es manchmal sein mag – birgt wundervolle Chancen, neue Wege mit unseren Kindern zu gehen.

Überhöhte Erwartungshaltungen und die leise Hoffnung auf den »perfekten Alltag« führen dabei nicht selten dazu, dass Eltern frustriert und enttäuscht sind, wenn das Leben mit Kind nicht der Wunschvorstellung entspricht, die sie bewusst oder unbewusst in ihren Köpfen hatten. Der gesellschaftliche Druck dabei, ein Kind zu »erziehen«, das sich »gut benimmt«, das seinem Alter entsprechend in der Lage ist, Dinge zu tun, das vielleicht auch in den Rahmen passt, den sein Geschlecht oder sein soziales Umfeld ihm vorgeben und das später in der Schule und beruflich Erfolge verzeichnen kann, ist dabei zusätzlich für viele nicht unwesentlich – oft tatsächlich, ohne dass man sich dieser Tatsache in all ihrem Ausmaß als Eltern immer bewusst wäre.

Doch so vorbildlich die Intention sein mag, ist die Frage, die sich hier stellt: Sollten wir wirklich planen, was »aus unserem Kind später wird«? Können wir das überhaupt? Können wir es in seinen Vorlieben beeinflussen, wenn wir der Ansicht sind, es sei besser für das Kind »so« oder »so« zu sein? Wenn wir das Kind in eine bestimmte Richtung »erziehen«, handeln wir auf diesem Wege wirklich im Sinne des Kindes?

»Erziehung« – eigentlich gibt dieses Wort nicht das wieder, was das alltägliche Spiel, das Hin und Her zwischen Eltern und Kindern beschreiben sollte. Erziehung klingt zu sehr nach »ziehen« – als würde man an einer Blume ziehen, damit sie höher, schöner, besser wächst. Wir wissen, dass das nicht funktioniert. Eine Blume wächst, wie sie wächst. Ein Ziehen würde wenn dann dazu führen, dass sie abknickt oder reißt und im schlimmsten Fall dann eben gar nicht weiterwächst, wie sie es eigentlich getan hätte.

Wir wollen alle das Beste für unser Kind, da sind wir uns sicherlich einig. Doch Kinder sind keine Projekte. Sie sind eigenständige, individuelle Wunderwerke, die unglaubliches Potenzial in sich tragen. Es ist daher nicht unsere Aufgabe, sie zu formen und ihnen vorzugeben, wie sie sein sollen. Im Gegenteil ist es ein großer Gewinn, wenn wir sehr bewusst darauf achten, dass wir unsere Kinder nicht zu Objekten elterlicher Erwartungen machen. Sich dies bewusst zu machen, ist nicht selten ein herausfordernder Prozess, denn es gilt, loszulassen an einem »Unser Kind soll ... Tennis spielen, so wie ich ... gut sein in Mathe, so wie Oma ... später etwas Künstlerisches machen, ... Arzt werden, wie Papa ...«. Solche oder ähnliche Wünsche trägt wohl jeder Elternteil bis zu einem gewissen Grad in sich. Mal mehr, mal weniger bewusst. Doch eine solche Herangehensweise birgt die Gefahr, viele andere Kompetenzen, Fähigkeiten und Talente unseres Kindes aus dem Blick zu verlieren. Wie traurig wäre es, würden wir unser Kind in eine Richtung drängen, für die es sich nicht von sich aus begeistern kann. Wir möchten doch, dass unsere Kinder vor allem eines sind: glücklich. Dafür sollten wir ihnen die Chance geben, sich in genau die Richtung zu entfalten, die sich für sie richtig anfühlt. Für sie. Nicht für uns. Diese Richtung kann und darf weit entfernt von dem sein, was wir gerne hätten.

Es ist also an uns, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich unser Kind sicher und frei zu dem entfalten kann, was es in sich trägt, was es wird, was es sein möchte. Es ist an uns als Eltern, den Kindern Raum zu lassen, sich zu dem entwickeln, was sie sein möchten.

Dass das nicht immer einfach ist, muss man sicherlich keinem Elternteil erzählen. Nicht selten erlebt man, dass Kinder für die Dinge, die den elterlichen Vorstellungen entsprechen, gelobt und vorangetrieben werden – sicherlich meist in den besten Absichten. Wir laufen dabei jedoch Gefahr, dass unsere Kinder selbst das Gefühl dafür verlieren, was eigentlich ihre innerste Vision wäre, was sie gerne können würden, wofür sie sich eigentlich begeistern würden – sie reagieren nur auf die Wünsche der Eltern und verbiegen sich, ohne es zu merken, in eine Richtung, in die sie vielleicht von sich aus niemals gelaufen wären. Je häufiger und länger dies passiert, desto weniger können sich diese Kinder auch im Laufe ihres Lebens gar nicht mehr darauf zurückbesinnen, was sie eigentlich einmal machen wollen, wo eigentlich einmal ihr ganz individueller Kern sie hingelockt hätte, wo sie sich eigentlich hätten verwirklichen wollen.

Wie gesagt, ich unterstelle allen Eltern an dieser Stelle eine durchweg positive Absicht. Und dennoch lohnt es sich, hier sehr wachsam zu sein. Hinzu kommt, dass man im Alltag mit Kind fast täglich auf Situationen stößt, in denen entweder die Eltern oder die Kinder an ihre Grenzen kommen – körperlich und emotional, weil Dinge eben nicht nach Plan laufen, weil es unterschiedlichste Konflikte gibt, die irgendwie gehandhabt werden müssen, weil irgendjemand einfach keine Energie mehr hat, erschöpft oder gelangweilt ist.

Und natürlich gibt es wohl niemanden, der in JEDER Erziehungssituation ALLE Grundregeln der gelungenen Kommunikation beachtet und IMMER vollkommen ruhig, entspannt und konsequent handelt – übrigens auch nicht die »Erziehungsprofis«. Jeder ist gelegentlich gestresst, übermüdet und reagiert mal »vollkommen daneben«. Und auch das ist in Ordnung. So sehr wir unsere Kinder lieben, Elternsein ist eben ein Fulltime-Job, der gelegentlich wirklich an den Nerven zerren kann.

Es ist jedoch viel gewonnen, wenn man sich die Basis einer entspannten Kommunikation bewusstmacht und darum weiß. Es geht bei dieser Basis niemals darum, die eine Erziehungsmethode gegen die andere in den Bewertungsvergleich zu stellen. Es ist vollkommen gut und richtig, dass wir als Eltern nicht alle vollkommen gleich erziehen.

Zunächst ist bei Erziehung erst einmal wichtig: Erziehung sollte sich richtig anfühlen. Sie sollte uns als Eltern ein Bauchgefühl vermitteln, das uns sicher sein lässt, unserem Kind – und somit indirekt auch uns – etwas Gutes zu tun. Unser Bauchgefühl, unsere Intuition, ist etwas, was in der heutigen Gesellschaft traurigerweise nicht mehr viel Beachtung bekommt – Rationalität und Logik haben der Intuition leider in vielen Situationen den Platz genommen. Dabei ist gerade dieses Bauchgefühl der beste natürliche Kompass, den wir haben, um herauszufinden, was »richtig« ist, was sich gut anfühlt, wie etwas sein darf, wie wir sein dürfen. Das mag in der Erziehung dann individuell bei den einen so aussehen, bei den anderen so. Denn sicher gibt es Eltern, die sich nicht an einem Hüpfen des Kindes auf dem Bett stören, während andere hier schon eine Grenze überschritten sehen.

Wenn es also gar nicht an einer konkreten Erziehungsmethode hängt, was wir unserem Kind mitgeben, was ist es dann? Eigentlich ist es ganz einfach:

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    Der Schlüssel zu einer gelungenen und harmonischen Familiensituation ... sind wir Eltern.

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    Der Schlüssel zu einem selbstbewussten Kind, das um seine Stärken weiß, das sich geliebt fühlt und mit offenem umsichtigen Blick durch die Welt geht, ... sind wir Eltern.

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    Der Schlüssel zu einem Kind, das auch im Erwachsenenalter noch zu uns kommt, sich uns anvertraut und unseren Rat sucht, ... sind wir Eltern.

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    Der Schlüssel zu einem glücklichen Kind, das seinen eigenen Weg geht, ... sind wir Eltern.

Denn die Basis für all das, was in diesem Buch an konkreten Tipps zu finden ist, bildet nur eines: Eine intensive und ehrliche Beziehung zu unserem Kind. Ein sicherer Hafen. Ein Ankerpunkt, zu dem unser Kind jederzeit zurückkommen und auf den es mit absoluter Sicherheit vertrauen kann. Ein Rahmen, in dem unser Kind so sein darf, wie es ist. In dem es mit all seinen Eigenarten gesehen, angenommen und angeregt wird, sich selbst und die Welt um sich in seiner kindlichen/kindischen Art im Spiel zu entdecken.

Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass das Wort »kindisch« in Alltagssituationen häufig sehr negativ verwendet wird. »Sei nicht so kindisch!«...